Entschließung der Datenschutzkonferenz

Potsdam, 10. März 1994

Chipkarten im Gesundheitswesen

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Länder verfolgen die zunehmende Verwendung von Chipkarten im Gesundheits- und Sozialwesen mit kritischer Aufmerksamkeit.

Chipkarte als gesetzliche Krankenversicherungskarte

Die Krankenversicherungskarte, die bis Ende des Jahres in allen Bundesländern eingeführt sein wird, darf nach dem Sozialgesetzbuch nur wenige Identifikationsdaten enthalten. Die Datenschutzbeauftragten überprüfen, ob

Chipkarte als freiwillige Gesundheitskarte

Sogenannte "Gesundheitskarten", etwa "Service-Karten" von Krankenversicherungen und privaten Anbietern, "Notfall-Karten", "Apo(theken)-Cards" und "Röntgen-Karten" werden neben der Krankenversicherungskarte als freiwillige Patienten-Chipkarte angeboten und empfohlen. Während die Krankenversicherungskarte nach dem Sozialgesetzbuch nur wenige Identifikationsdaten enthalten darf, kann mit diesen "Gesundheitskarten" über viele medizinische und andere persönliche Daten schnell und umfassend verfügt werden.

Gegenüber der konventionellen Ausweiskarte oder einer Karte mit einem Magnetstreifen ist die Chipkarten-Technik ungleich komplexer und vielfältig nutzbar. Damit steigen auch die Mißbrauchsgefahren bei Verlust, Diebstahl oder unbemerktem Ablesen der Daten durch Dritte. Anders als bei Ausweiskarten mit Klartext können Chipkarten nur mit technischen Hilfsmitteln gelesen werden, die der Betroffene in der Regel nicht besitzt. So kann er kaum kontrollieren, sondern muß weitgehend darauf vertrauen, daß der Aussteller der Karte und sein Arzt nur die mit ihm vereinbarten Daten im Chip speichern, das Lesegerät auch wirklich alle gespeicherten Daten anzeigt und der Chip keine oder nur eindeutig vereinbarte Verarbeitungsprogramme enthält.

Die Freiwilligkeit der Entscheidung für oder gegen die Gesundheitskarte mit Chipkarten-Technik ist in der Praxis bisweilen nicht gewährleistet. So wird ein faktischer Zwang auf die Entscheidungsfreiheit des Betroffenen ausgeübt, wenn der Aussteller - etwa ein Krankenversicherungsunternehmen oder eine Krankenkasse - mit der Einführung der Chipkarte das bisherige konventionelle Verfahren erheblich ändert, z.B. den Schriftwechsel erschwert oder den Zugang zu Leistungen Karten-Inhabern vorbehält bzw. erleichert.

So stellt beispielsweise eine Kasse ihren Mitgliedern Bonuspunkte in Aussicht, wenn sie auf sog. Aktionstagen der Kasse Werte wie Blutzucker, Sauerstoffdynamik, Cholesterol sowie weitere spezielle medizinische Daten ohne ärztliche Konsultation messen und auf der Karte speichern und aktualisieren lassen. In Abhängigkeit von der Veränderung dieser Werte wird von der Kasse gegebenenfalls ein Arztbesuch empfohlen. Die Vergabe solcher Bonuspunkte widerspricht dem Prinzip der Freiwilligkeit bei der Erhebung der Daten für die Patienten-Chipkarte. Der Effekt wird noch verstärkt, indem die Kasse die "Möglichkeit einer Beitragsrückerstattung" in Aussicht stellt. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sehen in dieser Art der Anwendung der Chipkarten-Technik das Risiko eines Mißbrauchs, solange der Inhalt und die Nutzung der Daten nicht mit den zuständigen Fachleuten - wie den Medizinern - und den Krankenkassen abgestimmt ist.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hält für den Einsatz und die Nutzung freiwilliger Patienten-Chipkarten zumindest - vorbehaltlich weiterer Punkte - die Gewährleistung folgender Voraussetzungen für erforderlich:

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sprechen sich dafür aus, daß der Gesetzgeber dies durch bereichsspezifische Rechtsgrundlagen sicherstellt.