Entschließung der Datenschutzkonferenz

25. August 1999

"Gesundheitsreform 2000"

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern erklären zu dem Entwurf eines Gesetzes "Gesundheitsreform 2000":

Die Datenschutzbeauftragten haben großes Verständnis für die Bemühungen, die Kosten im Gesundheitswesen zu begrenzen und eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Bei der Wahl der Mittel ist es aber Aufgabe des Gesetzgebers, beim Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung das Prinzip der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Der Entwurf lässt jede Begründung vermissen, warum die bisherigen Kontrollmechanismen, die das Entstehen umfangreicher medizinischer Patientendatenbestände bei den Krankenkassen vermeiden, ungeeignet sein sollen, die Wirtschaftlichkeit und Qualität ärztlicher Leistungserbringung sicherzustellen.

Der Entwurf gibt das bisherige Konzept der Datenverarbeitung in der gesetzlichen Krankenversicherung auf. Insbesondere standen bisher aus dem ambulanten Bereich personenbezogene Abrechnungsdaten mit medizinischen Inhalten und Diagnosedaten den Krankenkassen nur ausnahmsweise zu Prüfzwecken zur Verfügung, künftig sollen diese Informationen den Krankenkassen dagegen generell versichertenbezogen übermittelt werden. Damit entstehen bei den gesetzlichen Krankenkassen vollständige personenbezogene medizinische Datenbestände der gesetzlich Versicherten mit der Möglichkeit, für jede einzelne Person umfassende Darstellungen ihres Gesundheitszustandes zu bilden. Bei den Kassen entstehen gläserne Patientinnen und Patienten. Das Patientengeheimnis wird ausgehöhlt.

Die Datenschutzbeauftragten richten an den Gesetzgeber die dringende Bitte, die bisher versäumte eingehende Prüfung von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der weiterreichenden Datenverarbeitungsbestimmungen nachzuholen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, mit dem der Entwurf entgegen anders lautenden Äußerungen von Regierungsvertretern in der Sache bisher in keiner Weise abgestimmt wurde, sowie die Datenschutzbeauftragten der Länder stehen hierfür zur Diskussion zur Verfügung.

Insbesondere klärungsbedürftig sind folgende Punkte:

Die angesprochenen Punkte stellen besonders gewichtige, aber keineswegs die einzigen Probleme dar. Zu nennen sind hier nur beispielsweise die Verlängerung der Speicherdauer von Patientendaten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) von 5 auf 10 Jahre, unzureichende Regelungen bei den Speicherfristen, bei Umfang, Zweckbindung und Freiwilligkeit der Datenerhebung beim Hausarztmodell, der integrierten Versorgung und den Bonus-Modellen sowie unzureichende Pseudonymisierung bei den Arbeitsgemeinschaften. Abzulehnen ist auch die völlig mangelhafte Zweckbindung der Daten bei den Krankenkassen.