Entschließung der Datenschutzkonferenz

Hannover, 15. März 2000

Risiken und Grenzen der Videoüberwachung

Immer häufiger werden Videokameras eingesetzt, die für Zwecke der Überwachung genutzt werden können. Ob auf Flughäfen, Bahnhöfen, in Ladenpassagen, Kaufhäusern oder Schalterhallen von Banken oder anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen, überall müssen Bürgerinnen und Bürger damit rechnen, dass sie auf Schritt und Tritt offen oder heimlich von einer Videokamera aufgenommen werden. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sieht darin die Gefahr, dass diese Entwicklung zur einer Überwachungsinfrastruktur führt.

Mit der Videoüberwachung sind besondere Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden. Weil eine Videokamera alle Personen erfasst, die in ihren Bereich kommen, werden von der Videoüberwachung unvermeidbar völlig unverdächtige Menschen mit ihren individuellen Verhaltensweisen betroffen. Erfassung, Aufzeichnung und Übertragung von Bildern sind für die Einzelnen in aller Regel nicht durchschaubar. Schon gar nicht können sie die durch die fortschreitende Technik geschaffenen Bearbeitungs- und Verwendungsmöglichkeiten abschätzen und überblicken. Die daraus resultierende Ungewissheit, ob und von wem sie beobachtet werden und zu welchen Zwecken dies geschieht, erzeugt einen latenten Anpassungsdruck. Dies beeinträchtigt nicht nur die grundrechtlich garantierten individuellen Entfaltungsmöglichkeiten, sondern auch das gesellschaftliche Klima in unserem freiheitlichen und demokratischen Gemeinwesen insgesamt. Alle Menschen haben das Grundrecht, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ohne dass ihr Verhalten durch Kameras aufgezeichnet wird.

Daher müssen

strikt sichergestellt werden.

Jede Einrichtung einer Videoüberwachung sollte der datenschutzrechtlichen Vorabkontrolle unterzogen werden. Das heimliche Beobachten und Aufzeichnen, die gezielte Überwachung bestimmter Personen sowie die Suche nach Personen mit bestimmten Verhaltensmustern müssen grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen müssen im Strafprozeßrecht und im Polizeirecht präzise geregelt werden. Videoüberwachung darf nicht großflächig oder flächendeckend installiert werden, selbst wenn jeder Einsatz für sich gesehen gerechtfertigt wäre. Auch ein zeitlich unbegrenzter Einsatz ohne regelmäßige Erforderlichkeitsprüfung ist abzulehnen. Der Schutz der Freiheitsrechte erfordert überdies, dass heimliches Aufzeichnen und unbefugte Weitergabe oder Verbreitung von Aufnahmen ebenso strafbewehrt sein müssen wie der Missbrauch video-technisch gewonnener - insbesondere biometrischer - Daten und deren Abgleiche.

Dies bedeutet:

  1. Bei einer gesetzlichen Regelung der Videoüberwachung durch öffentliche Stellen dürfen Einschränkungen nur aufgrund einer klaren Rechtsgrundlage erfolgen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder erwartet, dass die Gesetzgeber bei der Novellierung der Datenschutzgesetze und anderer Gesetze diese Grundsätze berücksichtigen.


[1] Die kursiv gedruckte Passage wurde bei Stimmenthaltung der Datenschutzbeauftragten der Länder Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen angenommen.