Entschließung der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland

Erfurt, 27. Juni 2013

Positionspapier - Informationsfreiheit und Open Data

Informationsfreiheit und Open Data sind wesentliche Voraussetzungen für Transparenz und Kontrollierbarkeit der Verwaltung und fördern die demokratische Partizipation.

Die Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze der Länder sowie des Bundes (im Folgenden: Informationsfreiheitsgesetze) erfahren große Akzeptanz und werden intensiv genutzt. Ihnen ist zumeist eines gemeinsam: Wer Informationen von öffentlichen Stellen begehrt, muss einen Antrag stellen, ein Verwaltungsverfahren durchlaufen und dafür unter Umständen auch Gebühren entrichten. Die gesellschaftlichen Erwartungen an einen transparenten Staat gehen inzwischen jedoch darüber hinaus. Dem in seiner Durchsetzung oft aufwändigen Antragsrecht der Bürgerinnen und Bürger sollte deshalb die Pflicht öffentlicher Stellen stärker als bisher zur Seite gestellt werden, Informationen von sich aus zu veröffentlichen. Open Data – also die aktive Bereitstellung öffentlicher Informationen im Internet – wird auf den ersten Portalen im Internet bereits praktiziert. Zahlreiche Projekte befinden sich im Aufbau. Open Data beinhaltet begrifflich bereits die Forderung nach Offenheit. Daten des öffentlichen Sektors sind in diesem Sinne offen, wenn sie maschinenlesbar sind (maschinell interpretiert werden können), das Format der Datensätze offen und frei nutzbar ist (offene Standards), sie grundsätzlich keiner beschränkenden Lizenz unterliegen und ohne Kosten zugänglich sind sowie beliebig genutzt und weiterverwendet werden können. Damit dies zum Standard für den Umgang mit Informationen öffentlicher Stellen in Deutschland werden kann, müssen neben informationstechnischen auch rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden. Die Informationsfreiheitsbeauftragten halten zur Umsetzung von Open Data klare gesetzliche Grundlagen für erforderlich und empfehlen die Berücksichtigung der folgenden Eckpunkte:

1. Open Data braucht starke Informationsfreiheitsgesetze

  1. Open Data muss als wesentlicher Bestandteil der Informationsfreiheit verstanden werden. Der Anspruch auf Informationszugang im herkömmlichen Antragsverfahren wird auch in Zukunft unverzichtbar sein.
  2. Länder, in denen noch keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen existieren, sollten unverzüglich Informationsfreiheitsgesetze mit einem starken Anspruch auf Informationszugang und effektiver Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung von Daten öffentlicher Stellen sowie zur Einrichtung von Informationsregistern bzw. Open-Data-Portalen beschließen.
  3. Die Informationsfreiheitsgesetze sind, soweit erforderlich, so anzupassen, dass Informationen, die auf ihrer Grundlage herausgegeben werden, in der Regel auch veröffentlicht werden können. Die Pflichten zur Veröffentlichung sind in den Informationsfreiheitsgesetzen zu regeln und müssen für alle öffentlichen Stellen gelten, die bereits einem Zugangsanspruch nach den jeweiligen Informationsfreiheitsgesetzen unterliegen. Wenn Informationen auf dem Antragswege herauszugeben sind, sollte auch deren Veröffentlichung so wenig wie möglich beschränkt werden. Hierfür kann die Anonymisierung von Daten förderlich sein.
  4. Die Gefahr der weiteren Rechtszersplitterung durch neue Open-Data-Regelungen außerhalb der Informationsfreiheitsgesetze bestätigt die Forderung der Informationsfreiheitsbeauftragten nach einer möglichst einheitlichen Rechtsgrundlage für den Informationszugang.

2. Klarere Regelungen zur Veröffentlichung als Voraussetzung für Open Data

  1. Open Data ist weit mehr als Öffentlichkeitsarbeit: Bestehende Ansätze von Veröffentlichungspflichten in den Informationsfreiheitsgesetzen sind auszubauen und um effektive Instrumente zu ergänzen, die eine Veröffentlichung gewährleisten.
  2. Kategorien von Dokumenten, die zu veröffentlichen sind, sollten in den Informationsfreiheitsgesetzen umfassend und konkret beschrieben werden. Die Informationsfreiheitsbeauftragten beraten bei der Konzeption und Umsetzung.
  3. In den Informationsfreiheitsgesetzen sollte für alle Informationen, auf deren Zugang ein voraussetzungsloser Anspruch besteht, auf Verwendungsbeschränkungen verzichtet werden.
  4. Der Ort der Veröffentlichung ist ausdrücklich zu regeln. Denkbar ist die Veröffentlichung in einem Informationsregister bzw. Open-Data-Portal. Auch kann die Einrichtung entsprechender Seiten auf den Homepages der informationspflichtigen Stellen sinnvoll sein.
  5. Ein Informationsregister bzw. eine Open-Data-Plattform sollte ausschließlich in öffentlicher Regie errichtet werden. Durch die Verantwortlichkeit öffentlicher Betreiberinnen und Betreiber können nicht zuletzt die Richtigkeit und Aktualität der angebotenen Informationen am ehesten gewährleistet werden.
  6. Die Ausgestaltung einer Open-Data-Plattform sollte sich bereits von der technischen Konstruktion bis hin zu den Voreinstellungen auf Funktionen beschränken, die für die Bereitstellung der Informationen für die Bürgerinnen und Bürger von Bedeutung sind, ihnen die Preisgabe nicht erforderlicher personenbezogener Daten aber nicht abverlangen (privacy by design).

3. Es bedarf eines subjektiven, durchsetzbaren Anspruchs auf Veröffentlichung

  1. Ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung von Open Data ist die Gewährleistung eines subjektiven Rechtsanspruches auf die aktive Veröffentlichung von Informationen in den Informationsfreiheitsgesetzen von Bund und Ländern. Zwar ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden, jedoch hätten Bürgerinnen und Bürger ohne einen derartigen Anspruch keine Möglichkeit, eine öffentliche Stelle, die vorhandene Daten entgegen der Veröffentlichungspflicht rechtswidrig zurückhält, zur Veröffentlichung zu verpflichten.
  2. Dieser Anspruch sollte dem bisherigen Informationszugangsanspruch im Hinblick auf Einklagbarkeit und Unterstützung durch die Informationsfreiheitsbeauftragten gleichgestellt werden.

4. Keine Verwendungseinschränkung für öffentlich bereitgestellte Daten

  1. Datenbestände öffentlicher Stellen dürfen nicht durch Urheber- oder Nutzungsbeschränkungen der öffentlichen Stellen blockiert werden. Um Urheberrechten Dritter Rechnung zu tragen, sollten öffentliche Stellen mit diesen die Einräumung der Nutzungsrechte vertraglich vereinbaren.
  2. Sowohl bei der Veröffentlichung als auch bei der Verwendung darf es nicht darauf ankommen, welche Absichten die Nutzerinnen und Nutzer verfolgen.

5. Open Data ist eine Investition in die Zukunft

  1. Sowohl die Schaffung der Infrastruktur als auch die erstmalige Aufarbeitung und Bereitstellung der Daten können kostenintensiv sein. Auch die regelmäßige Veröffentlichung aktueller Informationen kann zusätzliche Sach- und Personalkosten binden. Es bedarf sowohl einer technischen Aufbereitung der Daten selbst (Maschinenlesbarkeit) als auch der Strukturierung einer nutzbaren, übersichtlichen Plattform.
  2. Aus Praktikabilitätsgründen wird eine Beschränkung des Umfangs der tatsächlich zu veröffentlichenden Daten zunächst unumgänglich sein. Auch ein zeitlich gestaffeltes In-Kraft-Treten von Veröffentlichungspflichten kann dem Praktikabilitätsgedanken Rechnung tragen.
  3. Angemessene Übergangsfristen sind auch für die Schaffung der technischen Voraussetzungen sowie für die etwaige Aufbereitung von Informationen, die vor dem In-Kraft-Treten einer entsprechenden Regelung angefallen sind, vertretbar.
  4. Um die Bereitstellung von Informationen zu erleichtern, sollten Regelungen getroffen werden, damit neue Daten bereits von vornherein in den entsprechend verwertbaren Formaten geführt werden oder zumindest problemlos aufbereitet werden können.
  5. Die Kosten der Verwaltung können durch Open Data langfristig reduziert werden. Insbesondere erspart die proaktive Bereitstellung von Informationen den öffentlichen Stellen die Bearbeitung individueller Informationszugangsanträge.
  6. Durch innovative Geschäftsmodelle zur kommerziellen Weiterverwendung öffentlicher Daten kann Open Data zu positiven gesamtwirtschaftlichen Effekten beitragen.
  7. Die Kostenerhebung für den antragsgebundenen Informationszugang steht in einem Spannungsverhältnis zur Kostenfreiheit im Rahmen von Open Data. Ein stimmiges Gesamtkonzept sollte durch einen grundsätzlichen Verzicht auf die Erhebung von Gebühren erreicht werden.
  8. Open Data bedeutet einen Aufgabenzuwachs bei den Informationsfreiheitsbeauftragten. Auch nach der Begleitung im Anfangsstadium (Gesetzgebung, Projekte für Plattformen etc.) bedürfen die öffentlichen Stellen einer permanenten Beratung zur Umsetzung der Veröffentlichungspflichten. Außerdem müssen die Kapazitäten der Informationsfreiheitsbeauftragten erweitert werden.